Niederstetten ist ein kleines Städtchen im fränkischen Nordosten Baden-Württembergs, dem im Juni dieses Jahres landesweite Aufmerksamkeit zuteil wurde. Der Theaterverein der knapp 5000-Einwohner-Stadt, das „Freilichttheater im Tempele“, wurde mit einem Staatspreis ausgezeichnet. Das ist umso bemerkenswerter, als man sich dabei gegen starke Konkurrenz aus Ballungszentren wie Stuttgart und Mannheim behaupten musste. Was macht das kleine Theater am Rande Baden-Württembergs so außergewöhnlich und einzigartig? 

Seit bald 30 Jahren wird in Niederstetten Theater auf sehr hohem Niveau gemacht. Ursprung der Theaterkultur waren die Feierlichkeiten zum großen Stadtjubiläum im Jahr…. Damals spielte man ein Stück des Niederstettener Mundartdichters Gottlob Haag. Die Aufführungen erfreuten sich so großen Zuspruchs, dass sich eine Tradition entwickelte mit zunächst jährlichen Aufführungen, später spielte man dann im zweijährigen Turnus. 

Von Anfang an, bis heute - und das ist sicherlich das entscheidende „Geheimrezept“ der Gruppe - gab es da diese innere Verpflichtung aller am Theatergeschehen Beteiligten zu höchstmöglicher Qualität - wie man sie sonst nur bei professionellen Theatern erlebt. In Niederstetten verbindet sich diese Ernsthaftigkeit allerdings mit enormer Leidenschaft, Spielfreude und einer zeitaufwendigen Hingabe ans Detail, die man so nur im Amateurtheater findet 

Jeder der insgesamt über 100 Akteure gibt während der monatelangen Vorbereitungs-, Proben- und Aufführungsphase sein Äußerstes. Alles, was der Zuschauer sieht und hört, ist, bis auf wenige Ausnahmen, in hunderten, tausenden Stunden ehrenamtlicher Arbeit entstanden. Die Bühne, die Kostüme, die Requisiten, alles.

Um dieses hohe Niveau zu erreichen, sind die entscheidenden Positionen des Freilichttheaters mit Profis besetzt. So stehen etwas Regie, Bühnenbild und Kostüme seit Jahren unter der ambitionierten Leitung von Ulrich Schulz,  langjähriger Bühnenbildchef am Schauspiel Köln, der als Regisseur inzwischen an namhaften Theatern arbeitet und auch internationale Bühnen ausstattet.  

In Niederstetten kann Schulz seiner Kreativität freien Lauf lassen. Das „Tempele“ ist eine unter Naturdenkmalschutz stehende, direkt an einem kleinen Flüsschen gelegene, zauberhafte Tuffsteinformation, in die der Bühnenbildner mit Hilfe eines ganzen Bühnenbauteams immer wieder neue, verblüffende Bühnenkreationen einpasst. 

Unter seiner Leitung hat sich das Freilichttheater Niederstetten in den letzten Jahrzehnten von einem Theatergruppe mit professionellem Anspruch zu einer Amateurbühne entwickelt, dem Theater- und Kulturschaffende weit über die Region hinaus längst professionelle Qualität bescheinigen.  

Diese spiegelt sich auch in der Auswahl der Stücke wider, zuletzt mit Shakespeares „Sommernachtstraum“, dem die Jury des baden-württembergischen Staatspreises wegweisende Theaterkunst attestierte. 

Große Erfolge feierte das Freilichttheater im Tempele vor allem auch mit seinen musikalischen Stücken wie dem Singspiel „Im Weißen Rössl“, das die Zuschauer mit einer schräg-modernen Version verblüffte und gleichzeitig begeisterte. In dieser Tradition steht das Stück des Jahres 2018, für das jetzt bereits die Vorbereitungen laufen. Gespielt wird „Kohlhiesels Töchter“, ein Anfang der sechziger Jahre mit Lilo Pulver verfilmter Bauernschwank. Man darf gespannt sein, was das preisgekrönte Theaterensemble aus der Geschichte um die amüsanten Liebeswirren zweier ungleicher Schwestern macht…